Halbzeit im Dunkeln – wie man ohne Strom lernt

In Deutschland sorgen wir uns ja gerade, wie sich ein Winter in möglicherweise nicht ausreichend geheizten Wohnungen anfühlt. Unsere Bildungspatenkinder können uns das jetzt schon erzählen: In Südafrika sind die Häuser nämlich grundsätzlich nicht isoliert, Zentralheizung ein Fremdwort und die Monate Juni bis August in Johannesburg die Zeit des Dauer-Winterjacke-Tragens, auch innen. Und so haben Valerie, Botlhale und Luthando uns jeweils Fotos geschickt, die sie gut eingepackt zeigen, denn die Zeiten sind…. zugig.

Der Stresspegel von Botlhale ist zur Zeit wohl der ausgeglichenste, denn bei ihr läuft einfach ‚nur‘ die neunte Klasse. Sie gibt sich große Mühe, hat sehr gute Noten und der Schuldirektor kann kaum glauben, wie viel ‚peace of mind‘ die Unterstützung aus Deutschland der Familie gebracht hat.

Die Coronasituation im Land ist einigermaßen stabil, der Unterricht läuft regulär und so wirkt die Schule McAuley House mit den nachmittäglichen Workshops und Sportangeboten wie eine kleine Oase für die Kids. Drum herum: viel Unsicherheit und wieder mehr Kriminalität, extrem gestiegene Lebensmittelpreise und ein Desaster beim staatlichen Stromkonzern Eskom. Immer öfter muss der Strom jetzt geplant abgeschaltet werden, um die Last im Netz zu verteilen (euphemistisch „loadshedding“ genannt). Die Folge: Jeden Tag sitzen Botlhale, Valerie und Luthando genauso wie unsere zwei neuen Bildungspatenkinder Lehakwe und Amulike viele Stunden ohne Strom in ihren Zimmern und versuchen, mit Taschenlampe, Kerzen und ähnlichem zu lernen. Und alles, was digital erledigt werden soll (seit Corona ist das Standard) will gut geplant sein, Powerbanks sind unverzichtbar.

Wirtschaftsprüferin oder Versicherungsmathematikerin?

Die 18jährige Valerie macht gerade die gleiche Erfahrung wie Luthando vor einem Jahr: Die Nervosität vor dem Abi steigt und steigt, sie hat noch nicht das Gefühl, dass sie notenmäßig am angepeilten Ziel ist. Und parallel zur Bewerbungsphase an den Unis beschäftigt sie schwer, was sie denn nächstes Jahr studieren möchte. Valerie kann sehr gut mit Zahlen, daher findet sie zwei Perspektiven am attraktivsten und passendsten: Wirtschaftsprüferin oder Versicherungsmathematikerin. Beides Berufe, die zukunftsträchtig sind und gute Chancen für Frauen bieten – die aber auch einen sehr guten Notendurchschnitt verlangen.

Um ihre Tochter bestmöglich zu unterstützen, haben Valeries Eltern ihr daher das größte Zimmer der Wohnung überlassen, wo sie genug Raum für sich hat und sich konzentrieren kann. Wenn jemand von Euch übrigens eine gute Idee für Stipendienprogramme für Valerie in Europa hat – sie würde sich sehr freuen!  Ein Highlight des Jahres, der Abiball steht Valerie noch bevor. Der wird wohl im Oktober stattfinden, wenn es langsam wieder Sommer wird.

Er zeichnet und zeichnet und zeichnet…

Und Luthando? Der ist zwar schon nicht mehr offiziell Ukuthanda-Bildungspatenkind (unsere Förderung reicht bis zum Abitur), aber hält weiter engen Kontakt und lässt uns immer wieder wissen, wie es ihm geht. Die Idee mit der nachgeholten Physikprüfung und dem Wechsel ins Architekturstudium stellte sich leider als komplexer heraus als gedacht – daher hat er sich nun mitten ins Studentenleben der Bildenden Kunst an der Uni in Pretoria gestürzt. Im sehr verschulten südafrikanischen System heißt das alles andere als Halligalli: Er kommt aus dem Zeichnen kaum heraus und  mehr als fünf Stunden Schlaf sind nicht drin. Die arrivierten Dozenten und Dozentinnen verlangen ihren Studenten das Maximum ab, während die auch noch genug Zeit für Kunsttheorie und -geschichte in ihrem Alltag unterbringen sollen.

Nach einem halben Jahr ist Luthando daher klar: Die Energie, die er hier aufbringen muss, möchte er lieber in ein Fach mit besseren Zukunftsaussichten stecken. Er hat sich für einen Studienfachwechsel innerhalb der Uni beworben, Informatik oder Wirtschaftsingenieurwesen.

Wir drücken die Daumen und sind extrem stolz, dass dieser junge Mann trotz all des Herumgereichtwerdens als Waise so in sich ruht und eine klare Vorstellung davon hat, wo er im Leben hinmöchte (auf der bucket list steht natürlich auch Besuch bei uns in Deutschland, irgendwann).

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